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Rezension 'Männer ohne Möbel'

Weißt du, in meinem Leben gibt es kein Morgen. Es gibt immer nur den Moment. – Aha. ich geh jetzt aber trotzdem. – Aber du riechst so gut! – Ja. Danke... – Also, willst du wirklich gehen? Ich meine, es ist Samstagabend. In Berlin! – Ich glaube ja, ich bin eher Dienstagabend. In Hannover. – Oh. (Alexandra Stahl: Männer ohne Möbel. Salzburg/Wien 2021,

S. 20)

Es sind Stellen wie diese, die das neue Buch von Alexandra Stahl so bemerkenswert machen. Sie widmet sich in ihrem Buch Dating-Erfahrungen in Berlin und um die große Frage, was das alles bedeuten mag, wenn man anruft oder nicht. Was simpel klingt, ist vielmehr ein komplexer, einstudierter Tanz, der allzu oft in Bars, samstagabends in Berlin, gespielt wird. Oder eben nicht. Kann man sich diesem Hin-und-Her überhaupt entziehen oder ist das schon das übliche Gehabe? Faule Ausreden oder kurze SMS, alles findet seinen Platz im Leben der Protagonistin in "Männer ohne Möbel" und fährt damit ein Mal ab, was vermutlich zum Erfahrungsschatz der meisten Leser*innen gehört.


Die Protagonistin Ellie ist angehende Schriftstellerin und versucht ihren Schreibstil in einem Kurs für Autor*innen zu verbessern. So angelegt, wie in ihrem Kurs erlernt, baut sich der Roman auf: ein grober Rahmen mit gelegentlichen Zwischenspielen. Plump, aber effektiv? Das Konzept scheint zu funktionieren. Der assoziative Schreibstil lässt die einzelnen Episoden markanter werden, die Wechsel zwischen auktorialem und personalem Erzähler machen eine Innen- und Außensicht von Ellies Welt möglich, wenn auch gleich manchmal nicht sonderlich aufschlussreich.


Schreiben ohne Tabu scheint die Maxime des Romans zu sein, denn man erhält fast ungefiltert Zugang zu den Gedanken Ellies, die sich mal mehr, mal weniger emphatisch gegenüber ihren Bekanntschaften verhalten. Das damit verbundene Sprunghafte wird in Teilen gebrochen durch die Wiederaufnahme einzelner Männer, denen Ellie begegnet. Sie selbst erscheint rastlos, aber nicht hoffnungslos. In ihr wird ein Persönlichkeitstyp sichtbar, der nicht nur in diesem Roman, sondern in vielen anderen verhandelt wird. Die verhängnisvolle Mitt-Zwanziger Zeit, die Zeit des Umherlaufens, des Suchens, aber nicht Findens kann als Lebensgefühl einer ganzen Generation verstanden werden, das Stahl hier aufnimmt. Das lässt sich nicht nur an Ellie erkennen, sondern auch an den immer mal wieder auftretenden Figuren in ihrem Umfeld, Alvaro und Simone. Sie werden schemenhaft, fast stereotypisch beschrieben und geben einen Einblick in eine spannende, aber mitunter leere Welt des Datings. Was Zuversicht verspricht ist eine gewisse mitschwingende Harmlosigkeit der Affären und Bekanntschaften. Nichts scheint eine bleibende Wunde zu hinterlassen, die Flüchtigkeit ist Fluch und Segen zugleich. Auf die Positionierung kommt es also an.


Es ist ein Roman, der mich zum lachen gebracht hat. Weil ich nicht nur in Teilen mich, sondern auch andere in den Beschreibungen wiedererkannt habe und die klug gewählten Wortbilder Stahls ein Lebensgefühl vermitteln, das in einer derart isolierten Zeit, wie dieser, besonders fehlt. 'Männer ohne Möbel' ist Sinnbild derjenigen, die das Spiel mitspielen und ihre auf den Boden gelegten Matratzen als hippen Minimalismus verstehen, aber nicht als Repräsentation einer Unmöglichkeit des zur Ruhe kommens.


Mein Blick bleibt an seinem Kinn hängen, das ist wie immer. Ich begreife, dass man sich niemals von den grauen Haaren in ihren Bärten täuschen lassen darf. Männer wie er sitzen noch Jahre am Tresen, pusten Rauchwolken in die Luft und sagen schönen Frauen, dass sie schön sind, ohne, dass es für irgendwen irgendwelche Folgen hat (S. 188).

 

'Männer ohne Möbel' ist der erste Roman der 1986 geborenen Schriftstellerin Alexandra Stahl und erschien im Jung und Jung Verlag. Die Lektüre ist in jedem Fall lohnenswert und lässt auch in seinem Erscheinungsjahr 2021 ein wenig Nostalgie zu, die Freude und Wehmut zugleich beim Lesen im isolierten WG-Zimmer in Berlin-Wedding hochkommen lässt.




Alexandra Stahl: Männer ohne Möbel. Salzburg/Wien 2021.

Not sponsored.




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