Wolfgang Herrndorf, der seinen literarischen Erfolg mit dem Roman 'Tschick' begründete, hat zahlreiche kleinere Texte und Manuskripte hinterlassen. Auf seinen Wunsch hin wurde eine überwiegende Mehrheit dieser Schriften nach seinem Tod vernichtet. Einen vereinzelten Teil, der von diesem testamentarischen Urteil nicht betroffen war, lässt sich nun in 'Stimmen' nachlesen. Das Buch beinhaltet kleinere Sequenzen aus Herrndorfs Schaffen, wobei zum ersten Mal auch gesammelte Lyrik von ihm zu finden ist. Es sind kleinere Einblicke, die wir hier erhaschen können, als bespielsweise in Herrnsdorfs veröffentlichtem Tagebuch 'Arbeit und Struktur'. Nicht weniger wertvoll anmaßend sind aber die kleinen Prosa-Auszüge, die hier zunächst ohne inhärenten Zusammenhang in ihrer Zusammenstellung erscheinen, aber trotzdem vereinnahmend sind.
Die kleinen Geschichten und Sequenzen knüpfen an das Bild an, das bereits in unseren Köpfen existiert: Zwei Jugendliche, Sommergefühle, Freiheit, Unbedarftheit. Erinnerungen an große Gefühle und das leichte und doch so schwere Aufwachsen im Durcheinander der Emotionen:
"Irgendwann kommt Corinna zu mir und sagt, ich soll runterkommen. Sabine will mit mir tanzen. [...] Sabine steht auf der Tanzfläche und sagt, du musst die Arme auf meine Hüften legen. Nicht da, wo sind denn die Hüften? Dann legt sie ihre Arme um meinen Hals. Zwischen uns ein halber Meter. Woher weiß ich, wie man das macht? [...] Das Lied dauert drei Minuten, danach setze ich mich wieder in die Ecke. Ich habe nie rausgefunden, was das zu bedeuten hat." (Wolfgang Herrndorf: Stimmen. Berlin 2018, S. 18).
Es sind keine Texte, die dazu geeignet wären ein neues Bild von Herrndorf zu zeichnen. Zum einen sind es überwiegend keine autobiografischen, sondern fiktionale Schriften und zum anderen folgen sie dem gewohnten Ton, der auch Romane, wie 'Tschick', 'Sand' oder 'In Plüschgewittern' charakterisiert. Wer auf ein neues Werk oder neue Einblicke von Herrndorf gehofft hat, den wird dieses Buch enttäuschen. Wer aber fasziniert von ihm als Autor ist, seinen humorvollen und zugleich ernsten Stil liebt und mehr über Rendezvous im Zoo erfahren möchte, dem wir dieser Band sicherlich sehr gefallen.
Quelle: Wolfgang Herrndorf: Stimmen. Berlin 2018.
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